Expertenmeinung: Aktueller Stand der GEG-Novelle 2024 Melita Tuschinski
Melita Tuschinski (© Foto: Wolfram Palmer)

Expertenmeinung: Wie laufen die GEG-Novelle und die Wärmeplanung ab 2024?

Im Gespräch: Dipl.-Ing. UT Melita Tuschinski, Freie Architektin, Herausgeberin des Fachportals GEG-info.de und des neuen GEG-Experten-Newsletters, Stuttgart

Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG 2024) ist seit dem 8. September 2023 verabschiedet. Sie soll höchstwahrscheinlich Anfang des nächsten Jahres in Kraft treten. Die Medien berichten dazu als »Heizungsgesetz«, weil sich die entsprechenden Vorgaben erheblich ändern werden. Die neuen Vorschriften sind zudem eng verzahnt mit der kommunalen Wärmeplanung, die ab 2024 ebenfalls durch ein neues Gesetz geregelt werden soll. Letzteres befindet sich derzeit auf dem parlamentarischen Weg und bringt weitreichende Neuerungen. Bausachverständige sollten darüber Bescheid wissen, um ihre Kunden nachhaltig beraten zu können. Das Interview stellt die wichtigsten Aspekte kurz dar.

 
BauSV: Frau Tuschinski, die verabschiedete GEG-Novelle ist eng verzahnt mit der kommunalen Wärmeplanung. Doch dieses Konzept findet sich nicht in dem ursprünglichen Referentenentwurf zum GEG vom 3. April 2023. Auf diesen hatten sich die beiden zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) geeinigt. Wann und warum wurde der Entwurf der GEG-Novelle dahingehend verändert, dass die kommunale Wärmeplanung eine maßgebliche Rolle spielt?
Tuschinski: Das ist eine gute Frage, vor allem, da das BMWK bereits im Sommer 2022 die Diskussion zur flächendeckenden kommunalen Wärmeplanung gestartet hatte. Doch zurück zur GEG-Fortschreibung: Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass der Bundesrat und die fachlichen Vertreter der Bundesländer in dessen Gremien sehr gute Vorschläge für die praktischen Umsetzung von gesetzlichen Vorschriften unterbreiten.

Am 3. Mai 2023 befassten sich gleich vier Ausschüsse des Bundesrats mit der GEG-Novelle. Federführend war dabei der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung. Die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrats wurden auf 33 Seiten besonders ausführlich begründet. Als der Bundesrat am 12. Mai 2023 im Plenum zur GEG-Novelle tagte, folgten die Mitglieder in ihrem Beschluss den Ausschussempfehlungen in vielerlei Hinsichten. Zur kommunalen Wärmeplanung empfahl der Bundesrat u. a.:

»Die Bundesregierung wird gebeten, eine bundesweit geltende Verpflichtung einer kommunalen Wärmeplanung zu schaffen, die bereits bestehende Länderregelungen berücksichtigt. Zudem ist sicherzustellen, dass die besonderen Übergangsvorschriften des GEG für kommunale wie auch private Planungen von Wärmenetzen Anwendung finden. Außerdem wird die Bundesregierung aufgefordert, die Förderung von perspektivisch auf erneuerbaren Energien basierenden Wärmenetzen zu verbessern.«

 

BauSV: Wie begründeten die Mitglieder des Bundesrats ihre Empfehlung an die Bundesregierung?
Tuschinski: Als Argumente führten sie u. a. folgende Aspekte an: Die Wärmeversorgung betreffe sowohl private Eigentümer und die Wohnungswirtschaft, als auch Wärmenetzbetreiber, Gewerbe- und Industriebetriebe.

Die Umstellung der Beheizung von Gebäuden auf nicht-fossile Brennstoffe müsse sehr effizient erfolgen und umfassend koordiniert sein. Die kommunale Wärmeplanung könne die anstehenden Änderungen der Wärmewende vorausschauend gestalten und übersichtlich darstellen. Dieses geschehe aufgrund von Bestands- und Potenzialanalysen der Wärmeversorgung. So könnten die betroffenen und engagierten Akteure der Wärmewende die notwendigen Maßnahmen vorausschauend planen und danach praxisbezogen umsetzen.

Die resultierenden Informationen der kommunalen Wärmeplanung wären für private und gewerbliche Investoren von größtem Interesse. Beispielsweise könnten sie erfahren, ob für ein bestimmtes Baugrundstück ein Anschluss an ein Nah- oder Fernwärmenetz vorgesehen sei.

 

BauSV: Sowohl die GEG-Novelle als auch das neue Gesetz für die kommunale Wärmeplanung sollen zeitgleich zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Wie sieht die Verzahnung der GEG-Novelle mit dem Wärmeplanungsgesetz konkret aus?
Tuschinski: Die vom Bundestag verabschiedete Novelle des GEG berücksichtigt den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. Mai 2023 (BT-Drs. 20/6875) in einer vom Ausschuss für Klimaschutz und Energie geänderten Fassung vom 5. Juli 2023 (BT-Drs. 20/7619). Der Entwurf der Bundesregierung schreibt in § 71 Abs. 1 zu den Anforderungen an Heizungsanlagen vor, dass neu installierte Heizungen mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen müssen: »Eine Heizungsanlage darf zum Zweck der Inbetriebnahme in einem Gebäude nur eingebaut oder aufgestellt werden, wenn sie mindestens 65 Prozent der mit der Anlage bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme… erzeugt…«.

Aufgrund der Beschlussempfehlung des Bundestagausschusses wurde der § 71 um weitere Absätze ergänzt.

Die Regelung im neuen Absatz 8 schafft den Übergang und verzahnt das GEG mit der Wärmeplanung. Sie gilt für neu installierte Heizungen in Bestandsbauten und in Neubauten außerhalb von Neubaugebieten. Letztere könnten beispielsweise Bauvorhaben in Baulücken sein, wie wir es von der Bauverdichtung kennen. Bis zum Vorliegen der Wärmepläne gilt für Bestandsgebäude und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten ein Aufschub für die Pflicht zur Nutzung von 65 Prozent erneuerbaren Energien bei neu installierten Heizungen.

Die Fristen für Gemeinden, Wärmepläne verpflichtend zu erstellen, regelt das Gesetz zur Wärmeplanung abhängig von der Anzahl der angemeldeten Einwohner in der Gemeinde. Wenn beispielsweise laut Wärmeplanung zum vorgeschriebenen Termin ersichtlich wird, dass ein Fernwärmenetz für ein bestimmtes Grundstück vorliegen wird, welches die Anforderungen des Wärmeplanungsgesetzes erfüllt, bietet es sich an, das Bestandsgebäude künftig auch daran anzuschließen. Auf diese Weise sind die Fristen im Wärmeplanungsgesetz und die Anforderungen der GEG-Novelle an neu installierte Heizungen miteinander verzahnt.

 

BauSV: Was genau regelt dieses neue »Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze«, kurz Wärmeplanungsgesetz?
Tuschinski: Wie der Name des Gesetzes sagt, regelt es gleich zwei Aspekte: die Wärmeplanung und die Dekarbonisierung der Fernwärmenetze. Dies betrifft die flächendeckende kommunale Planung der Wärme für ganz Deutschland. Bis 2045 sollen alle Gebäude bundesweit nur noch klimaneutral geheizt werden.

1. Wärmeplanung: Sie soll Bauherren, Eigentümer und Unternehmen informieren und ihnen bei ihren Investitionsentscheidungen für ein kosteneffizientes, klimagerechtes Heizen helfen. Die Wärmeplanung zeigt beispielsweise, ob an einem Gebäude-Standort oder Grundstück eine klimafreundliche Fernwärmeversorgung bereits jetzt oder künftig geplant ist. Für die Wärmeplanung sind keine neuen Daten notwendig. Genutzt werden vorhandene Informationen, die Behörden, Energieversorgern und Schornsteinfegern bereits vorliegen. Dabei definiert das Gesetz die »Wärmeplanung« als eine rechtlich unverbindliche, strategische Fachplanung. »Der Wärmeplan hat keine rechtliche Außenwirkung und begründet keine einklagbaren Rechte oder Pflichten… Durch Landesrecht kann bestimmt werden, dass die planungsverantwortliche Stelle den Wärmeplan einer durch Landesrecht bestimmten Stelle zur Genehmigung vorlegen muss.« Der Bund will die Erstellung von Wärmeplänen mit 500 Millionen Euro fördern, betonte die Bundesbauministerin bei der Vorstellung des Gesetzentwurfes.

Die Fristen dafür sehen wie folgt aus: Die Länder müssen sicherstellen, dass Wärmepläne erstellt werden. Diese Aufgabe übernehmen üblicherweise die Städte und Kommunen. Der gesetzliche Zeitplan orientiert sich an der Anzahl der angemeldeten Einwohner in der Gemeinde und sieht folgendermaßen aus:

  • Großstädte (über 100.000 Einwohner) müssen Wärmepläne bis zum 30. Juni 2026 erstellen.
  • Gemeinden (höchstens 100.000 Einwohner) müssen Wärmepläne bis zum 30. Juni 2028 erstellen.

Kleinere Gemeinden (unter 10.000 Einwohner) können ein vereinfachtes Verfahren anwenden, wenn das Bundesland demenentsprechend entscheidet.

2. Dekarbonisierung der Wärmenetze: Die Fernwärme ist für die künftige, klimaneutralen Wärmeversorgung besonders wichtig, insbesondere in urbanen Gebieten. Die Wärmenetze sollen ausgebaut und auf erneuerbare Wärme Energien umgestellt werden. Aktuell sind etwa 14 Prozent der Haushalte an Fernwärme angeschlossen, die nur zu 20 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammt. Bis zum Jahr 2045 soll die gesamte Fernwärmeversorgung klimaneutral erfolgen. Das Gesetz schreibt Mindestziele für den Anteil aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme vor. Damit regelt es die schrittweise Dekarbonisierung und den Ausbau der Fernwärme. Bis 2030 soll bereits die Hälfte der leitungsgebundenen Wärme klimaneutral erzeugt werden.

Bis dahin sollen die Wärmenetze zu 30 Prozent und bis 2040 zu 80 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme führen. Neue Wärmenetze müssen bereits ab dem 1. Januar 2024 mindestens 65 Prozent erneuerbare Wärme führen.

 

BauSV: Wie ist der aktuelle Stand des Gesetzes für die kommunale Wärmeplanung?
Tuschinski: Zuständig für dieses »Gesetz für die Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze« sind die beiden Bundesministerien für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Ihr erster Referentenentwurf stammt vom 1. Juni 2023.

Diese erste Fassung des Gesetzesentwurfs diente ausschließlich der Meinungsbildung für Länder und Verbände. Sie erhielten Gelegenheit sich dazu zu äußern. Die Ressorts behielten sich vor, den Entwurf noch zu ändern. Der zweite Referentenentwurf vom 21. Juni 2023 berücksichtigte die Vorschläge der Länder und betroffener Verbände und umfasste zahlreiche Änderungen.

Auch dazu konnten sich die Länder und Verbände äußern. Am Mittwoch, den 16. August 2023, hat das Bundeskabinett das Gesetz beschlossen und an den Bundesrat weitergereicht. Seit dem 18. August 2023 ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Webseiten des Bundesrates als BT-Drs. 388/23 veröffentlicht. Dieses Gremium wird sich nun im nächsten parlamentarischen Schritt damit befassen

 

BauSV: Und wie geht es nun konkret weiter mit dem Wärmeplanungsgesetz?
Tuschinski: Seit dem 12. September 2023 ist die Tagesordnung der Plenarsitzung des Bundesrates vom 29. September 2023 veröffentlicht. Als 47. Punkt ist der »Entwurf eines Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze« vorgesehen (BT-Drucksache 388/23).

Wichtig ist zu wissen, dass dieses Gesetz nicht von der Zustimmung des Bundesrates abhängt, wie dies früher bei den Novellen der Energieeinsparverordnung (EnEV) der Fall war. Damals hatte der Bundesrat durch das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) stets „das letzte Wort“. Die Vertreter der Bundesländer nahmen diese Chance auch gerne wahr. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass die Bundesländer nach wie vor für die praktische Umsetzung der bundesweit geltenden energiesparrechtlichen Regelungen verantwortlich sind.

Nach dem Bundesrat muss noch der Bundestag sich mit dem Wärmeplanungsgesetz befassen und im günstigen Falle im Plenum verabschieden. Zum Zeitpunkt dieses Interviews stand noch nicht fest, wann genau die Abgeordneten des Bundestages zum Wärmeplanungsgesetz beraten werden. Nachdem der Bundestag das Gesetz im Plenum beraten und verabschiedet hat, müsste es im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Wenn alles reibungslos läuft, sollte das Wärmeplanungsgesetz auch am 1. Januar 2024 parallel zur GEG-Novelle in Kraft treten.

 

BauSV: Soweit zur Theorie. Was sollten Bausachverständige in diesem Kontext berücksichtigen?
Tuschinski: Die GEG-Novelle und das neue Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung werden sehr viele Gebäude und Menschen betreffen. Wir alle haben die schweißtreibenden Außentemperaturen in diesem Sommer erlebt. Wir sollten dies als Mahnung auffassen, dass wir die Klimabelastung sehr dringend senken müssen. Wenn dies für die Gebäudeheizungen durch Umstellung auf erneuerbare Energiequellen und Dekarbonisierung der Wärmenetze gelingt, wäre dies ein sehr wichtiger Schritt – auch für die nächste Generation.

Bausachverständige sollten sich in den nächsten Monaten darauf einstellen, dass Sie sich sehr intensiv mit den neuen Vorschriften befassen. Ihre Auftraggeber – Bauherren, Eigentümer, Verwalter und kommunalen Entscheider – erwarten eine kompetente, zukunftsorientierte Beratung, Planung und Ausführung ihrer Gebäude und Wärmeerzeugung. Über mein Fachportal GEG-info.de und den neuen GEG-Experten-Newsletter werde ich weiterhin die professionellen Anwender des GEG auch zum Wärmeplanungsgesetz auf dem Laufenden halten.

 

BauSV: Frau Tuschinski, vielen Dank für das Gespräch.

 

Weiterführende Informationen und Materialien:
BMWSB: Entwurf eines Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze
BMWK: Entwurf eines Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze
Bundeskabinett: Wärmeplanung für ganz Deutschland
Bundesrat: Entwurf eines Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze


Alle Quellenangaben siehe auch auf www.geg-info.de und auf wpg-info.de.


Kontakt

Melita Tuschinski
Dipl.-Ing./UT, Freie Architektin und Fachautorin in Stuttgart
Expertenportal: GEG-info.de | EnEV-online.de | GEIG-online.de
E-Mail: info@tuschinski.de
Internet: www.tuschinski.de